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Zerstörungsfreie Prüfung der Schweißverbindungen bei der Herstellung von Druckbehältern; Neufassung der DIN EN 13445-5

Die europäische Norm EN 13445 „Unbefeuerte Druckbehälter” hat im Geltungsbereich der EU-Druckgeräterichtlinie einen sehr hohen Stellenwert, denn sie ist im Amtsblatt der EU als „Harmonisierte Norm” aufgeführt. Dies bedeutet, dass ein Druckgerät, das auf Basis dieser Norm entworfen, gefertigt und geprüft wird, auch die wesentlichen Sicherheitsanforderungen der Druckgeräterichtlinie erfüllt. Insofern werden heutzutage die meisten Druckbehälter, die in der EU in Verkehr gebracht, aufgestellt und betrieben werden, nach den Vorgaben dieser Norm hergestellt.

Der Teil 5 der Norm „Inspektion und Prüfung” behandelt ausführlich die zerstörungsfreien Prüfungen der Schweißverbindungen. In diesem Beitrag geht es nun um eine wichtige Änderung zur Auswahl von „zugelassenen” Prüfverfahren und Prüftechniken für die Volumenprüfung in der neuesten Ausgabe DIN EN 13445-5:2017-12.

Die bisherigen Fassungen dieser Norm bezogen sich zu dieser Thematik bereits auf die wichtige Schweißnahtprüfnorm DIN EN ISO 17635, verfolgten aber einen eher konservativen Ansatz. So hieß es im Abschnitt 6.6.3.3 der DIN EN 13445-5 bisher: 

  • Die Verfahren müssen nach EN ISO 17635:2010, Tabelle 3, gewählt werden.
  • Die Prüftechniken müssen mit EN ISO 17635:2010, Tabelle A.5 (RT-F) und A.8 (UT) übereinstimmen.
  • Andere Prüftechniken aus EN ISO 17635 können zur Sicherstellung der geforderten Bewertungsgruppe nach 6.6.3.2, Anhang F oder Anhang G, durchgeführt werden.

Danach werden für einen ferritischen Stumpfstoß im Dickenbereich von 8 mm bis 40 mm die Prüfverfahren RT und UT als völlig gleichwertig betrachtet und können alternativ ausgewählt werden. Obwohl in der Fassung der DIN EN ISO 17635 von 2010 sowohl die Radiografie mit digitalen Speichermedien (RT-CR) als auch die Ultraschallprüftechnik TOFD bereits enthalten waren, ließ die übergeordnete Norm DIN EN 13445- 5 diese Prüftechniken bisher nicht zu. Nur die filmbasierte Durchstrahlungsprüfung (RT-F) und die konventionelle Impuls-Echo-Ultraschallprüfung (UT-PE) waren „zugelassen”. Durch den letzten Satz aus dem eben zitierten Abschnitt 6.6.3.2 war aber doch die Möglichkeit der Anwendung von RT-CR und TOFD gegeben, jedoch nur, nachdem deren Eignung nachgewiesen wurde; das heißt die jeweilige Prüftechnik musste erst qualifiziert werden.

In der Neufassung der Norm DIN EN 13445-5 von 2017 wurde der Abschnitt 6.6.3.3 nun deutlich erweitert und durch vier weitere Prüftechniken ergänzt: 

  • Die Verfahren müssen nach EN ISO 17635:2016, Tabelle 3, gewählt werden. 
  • Die Prüftechniken müssen mit EN ISO 17635:2016, Tabelle A.5 (RT-F), A.6 (RT-D), (RT-CR) oder (DDA), A.7 (UT), A.8 (TOFD) und A.9 (PAUT) entsprechen. 
  • Andere Prüftechniken aus EN ISO 17635 können zur Sicherstellung der geforderten Bewertungsgruppe nach 6.6.3.2, Anhang F oder Anhang G, durchgeführt werden.

Nehmen wir wieder einen ferritischen Stumpfstoß im Dickenbereich von 8 mm bis 40 mm an, so werden folgende sechs  Prüftechniken als völlig gleichwertig angesehen und können daher zur Schweißnahtprüfung ausgewählt werden: 

•    Durchstrahlungsprüfung mit Filmen (RT-F)
•    Digitale Durchstrahlungsprüfung mit Phosphor- Speicherfolien (RT-CR)
•    Durchstrahlungsprüfung mit digitalen Detektoren (DDA)
•    Ultraschallprüfung nach dem Impuls-Echo-Verfahren (UT)
•    Beugungslaufzeittechnik (TOFD)
•    Ultraschallprüfung nach der Technik mit phasengesteuerten Arrays (PAUT)

Der letzte Satz im Abschnitt 6.6.3.3 mit der Möglichkeit, noch andere Prüftechniken nach entsprechender Qualifizierung zu verwenden, ist geblieben. Soweit die Sachlage; aber was bedeutet das zukünftig für die zerstörungsfreie Prüfung an Schweißverbindungen bei der Fertigung oder der Reparatur von Druckbehältern?   

Positiv betrachtet, bedeutet dies zunächst eine deutliche Aufwertung von Stufe-3-Personen (Prüfstellenleiter, Prüfaufsichten), die nun in die Verantwortung genommen werden und eine gezielte Auswahl aus sechs Prüftechniken treffen müssen. Auf Grundlage dieser Auswahl müssen sämtliche Prüfmaßnahmen nach schriftlichen Anweisungen durchgeführt (DIN EN 13445-5, Abschnitt 6.6.7) und auch vorher in einem Prüfplan eingetragen worden sein (Abschnitt 6.6.3.6). 

Zur Auswahl einer geeigneten Prüftechnik ist es unbedingt erforderlich, dass sich die Stufe-3-Person mit der Leistungsfähigkeit und den Grenzen der einzelnen Prüftechniken und den Inhalten der entsprechenden Prüfnormen eingehend auseinandersetzt. Es reicht nicht aus, sich lediglich durch die entsprechenden Tabellen der einzelnen Normen „durchzuhangeln”; auch die Texte müssen gelesen werden. So heißt es beispielsweise in der Norm DIN EN ISO 17635 im Abschnitt 9.1 „Auswahl des Prüfverfahrens – Allgemeines”: 

Bevor Prüfverfahren und Prüfklassen ausgewählt werden, sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
a) Schweißprozesse
f) zu erwartende Art und Ausrichtung der Inhomogenität 

Nehmen wir beispielsweise eine 50 mm dicke Stumpfnaht an, die nur einseitig geschweißt werden kann und bei der die Gefahr von Wurzelkerben oder scharfen Kanten im Wurzelbereich besteht. In diesem Fall ist durch die Stufe-3-Person vor allem diejenige Prüftechnik auszuwählen, die für diesen an der Gegenfläche auftretenden Fehlertyp auch ausreichend empfindlich ist. 

Im Folgenden soll noch ein weiterer Aspekt behandelt werden, nämlich die Rolle von Notifizierten Stellen bzw. Betreiberprüfstellen nach Druckgeräterichtlinie bei dieser Thematik. Diese Stellen führen bei einem z.B. nach Modul G hergestellten Druckbehälter der Kategorie IV sowohl die Entwurfsprüfung als auch die Schlussprüfung durch (siehe Druckgeräterichtlinie, Anhang III, Abschnitt 10 „Modul G“). 

Im Rahmen der Entwurfsprüfung (vor Fertigungsbeginn) erteilt die Notifizierte Stelle zwar eine Zulassung für die geplanten Schweißverfahren; von einer Zulassung von ZfP-Verfahren bzw. ZfP-Prüftechniken ist nicht die Rede. Jedoch sieht die Entwurfs-
prüfung eine Überprüfung der Qualifikationen des Schweißpersonals und des Prüfpersonals vor. Meine persönliche Erfahrung ist, das Letzteres nicht praktikabel ist, da zum Zeitpunkt der Entwurfsprüfung vor Fertigungsbeginn üblicherweise vom Hersteller noch kein Auftrag an eine ZfP-Fachstelle (Fachfirma) erteilt wurde. In Prüfplänen sind daher eher sehr allgemeine Angaben zur ZfP aufgeführt, wie z.B. „100 % RT der Längsnähte”. Hier ist unbedingt der Hersteller gefordert und in der Pflicht! Früh genug müssen auch die zerstörungsfreien Prüfungen im Detail festgelegt sein, und dazu ist die Mitwirkung einer Stufe-3-Person erforderlich.
Im Rahmen der Schlussprüfung („Abnahme”) überprüft die Notifizierte Stelle unter anderem, ob alle ZfP-Prüfberichte vorhanden und ohne Befund sind, und bei dieser Gelegenheit dann auch, ob das Prüfpersonal ausreichend qualifiziert war. Ebenso wird beispielsweise überprüft, ob die von der DIN EN 13445-5 geforderten Prüfumfänge an den Schweißverbindungen eingehalten wurden.

Mir stellt sich nun die Frage, ob die Notifizierte Stelle bei dieser Gelegenheit auch überprüft, ob die ausgewählte Prüftechnik überhaupt für diesen Anwendungsfall geeignet war? Ist die Notifizierte Stelle fachlich dazu in der Lage? Mit entsprechender Stufe-3-Ausbildung und Qualifikation sicherlich. 

Als ehemaliger Obmann des nicht mehr existierenden Normenausschusses NMP 828 „Qualifizierung von zerstörungsfreien Prüfungen” frage ich mich auch, ob es ausreicht, dass eine vom Hersteller beauftragte Stufe-3-Person eine geeignete Prüftechnik auswählt oder ob es zusätzlich notwendig ist, dass diese Prüftechnik von der Notifizierten Stelle zugelassen wird,  so wie es bei den Schweißverfahren üblich ist. Diese Fragestellung bedarf meiner Ansicht nach der Diskussion und Klärung. Sicherlich gibt es Argumente dafür und dagegen. 

Wie eingangs ausgeführt: Durch die Neufassung der Norm DIN EN 13445-5 von 2017 wird der Stellenwert einer Stufe-3-Person deutlich aufgewertet. Diejenigen, die bisher fachkundig und verantwortungsvoll gehandelt haben, werden dies auch nach der Novellierung tun; es hat sich lediglich die Anzahl von Alternativen für die Volumenprüfung erhöht.
Haben dagegen bei der Herstellung eines Druckbehälters Termin- und Kostendruck höchste Priorität, so birgt die Neufassung der Norm auch Gefahren: Es lässt sich die kostengünstigste Prüftechnik ebenso auswählen wie auch eine Prüftechnik, welche die „gefälligsten” Zulässigkeitsgrenzen verspricht. Vergleicht man in den jeweiligen Bewertungsnormen die Zulässigkeitsgrenzen für die sechs Prüftechniken, z.B. für die Bewertungsgruppe C nach DIN EN ISO 5817, wird man feststellen, dass diese nicht direkt vergleichbar und einheitlich sind, und eigentlich auch nicht einheitlich sein können. Dazu sind die spezifischen Eigenheiten und Grenzen der Prüftechniken einfach zu unterschiedlich (Physik, Datenerfassung, Auswertung). Aber trotzdem ist auch hier eine bessere Abstimmung innerhalb der Normungsgremien unbedingt erforderlich. 

Im Vorwort zur Norm DIN EN 13445-5 finden wir noch die Ankündigung, dass im jährlichen Abstand Überarbeitungen und Neufassungen geplant sind. Ähnlich wie beim ASME-Code werden Stufe-3-Personen sich daran gewöhnen müssen, sich bezüglich der Normung intensiver auf Stand zu halten. So ist in Kürze auch mit einer Neufassung der Norm DIN EN 13480-5 „Metallische industrielle Rohrleitungen” – Prüfung” mit ähnlichen Erweiterungen zu rechnen.

Andreas Hecht, Freinsheim

Autor und Redaktion freuen sich über Meinungsäußerungen oder Anregungen zu diesem Bericht. Bitte schreiben Sie uns an zeitung@dgzfp.de

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